Brustkrebsfrüherkennung - Viel Glaube, zu wenig Wissen

25. Februar 2014

Trotz aller Aufklärungskampagnen und jahrelanger Informationsarbeit von Ärzten, Krankenkassen, Verbraucherschutz- und Patientenorganisationen: Das Un-Wissen um die Chancen, Risiken und Grenzen von Früherkennungsuntersuchungen und Mammographie-Screening ist nach wie vor groß. So glauben z.B. 30 Prozent der deutschen Frauen, dass diejenigen, die regelmäßig zur Mammographie  gehen, nicht an Brustkrebs erkranken.

Das ist eines der erschreckenden Ergebnisse einer Studie von Barmer Ersatzkasse und Bertelsmann-Stiftung, deren Ergebnisse vor kurzem im Gesundheitsmonitor veröffentlicht wurde. Für die Studie hatten die Interviewer der Bertelsmann-Stiftung insgesamt 1852 Frauen im  Alter zwischen 44 und 63 Jahren befragt.

Jede zweite Frau ist zudem falsch oder nicht ausreichend über den Nutzen der Mammographie informiert.  So überschätzen die meisten Befragten den Effekt der Röntgenuntersuchung der Brust im Hinblick auf die Verminderung der Brustkrebssterblichkeit deutlich. Wie die Studienautoren berichten, wussten nur vier Prozent der Befragten, dass bei 1000 untersuchten Frauen fünf Todesfälle vermieden werden können. Die meisten waren davon ausgegangen, dass aufgrund der Teilnahme an regelmäßigen Reihenuntersuchungen 200 Frauen weniger an Brustkrebs sterben.

Dass mit der Teilnahme an  Früherkennungsuntersuchungen auch Risiken verbunden sind, ist ebenfalls  nur wenigen Frauen bekannt und bewusst. Dazu zählt beispielsweise das Problem der Überdiagnose  oder des falsch positiven Befunds -  im Röntgenbild werden Auffällig-keiten in der Brust entdeckt und an- schließend als „Brustkrebs“ behandelt, die eigentlich gar nicht vorhanden oder für die Frau harmlos sind.  Nach Auffassung von Prof. Marie-Luise Dierks, die die Patientenuniversität an der Medizinischen Hochschule Hannover leitet, können Frauen vor dem Hintergrund der bestehenden Informationsdefizite keine „informierte Entscheidung“ treffen. „Wir haben die Verpflichtung, ausgewogen und verständlich über den Nutzen, aber auch die Risiken des Screenings aufzuklären“ – so das Resümée der Professorin.

Nach Einschätzung von Prof. Norbert Schmacke, einem der Autoren des Gesundheitsmonitors, fehlt es im Zusammenhang mit dem Mammographie-Screening vor allem an „verständlichen und evidenzbasierten Informationen sowie an Zeit und Gelegenheit, sich eine eigene Meinung zu bilden“.  Selbst unter Krebsforschern ist die Wirkung und Wirksamkeit von Populationsscreenings umstritten. Für Deutschland gibt es z.B. derzeit keine wissenschaftlich fundierte Studie, die den Nutzen von Reihenuntersuchungen zur Früherkennung von Brustkrebs belegt.  Die renommierte Cochrane Collaboration kam nach Sichtung der vorhandenen Studien bereits 2012 zu der Einschätzung, dass es nicht mehr sinnvoll sein könnte, an Screening-Programmen teilzunehmen. Denn die Brustkrebssterblichkeit geht weltweit vor allem bei Frauen unter 50 zurück, die gar nicht an Screening-Programmen teilnehmen.  Diese Entwicklung ist somit nach Einschätzung von Krebsforschern vor allem auf die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten zurückzuführen.

Frauen haben , so die Autoren der Studie vor allem Angst davor, bei der Krebsfrüherkennung falsche Entscheidungen zu treffen.  Weil jahrelang die Botschaft verkündet wurde: Früherkennung hilft und rettet Leben“, werden bei vielen Frauen falsche Erwartungen geweckt.  Erkranken Frauen an Brustkrebs, die nicht zur Früherkennung gegangen sind, treten oft Schuldgefühle auf (wäre ich zur Früherkennung gegangen, hätte ich die Krankheit nicht bekommen).

Deshalb plädieren die Autoren der Studie nicht gegen die Mammographie, sondern für eine umfassendere Aufklärung der Frauen und besseres Informationsmaterial.  Wie die Ergebnisse der Umfrage zeigen, führt das bislang bei der Einladung zum Screening eingesetzte Infomaterial nicht zu einem Erkenntnisgewinn. Ganz im Gegenteil: 40 Prozent der Frauen, die das Aufklärungsschreiben erhielten, schätzten den Nutzen des Screenings falsch ein. Bei den Frauen, die kein Infomaterial erhalten hatten, waren es nur 31 Prozent. (akk)

Literatur: Presseinformation  6/14 der Bertelsmann-Stiftung vom 13.2.2014,  Broschüre: Barmer-GEK: Brustkrebs Früherkennung- Informationen zur Mammografie, eine Entscheidungshilfe, 2. überarbeitete Auflage 2011