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"Eine Chemo ist doch gar nicht so schlimm" – Krankenkassen dürfen Kosten für Genexpressionstests nicht erstatten
22. Juli 2013
Endlich gibt es verlässliche diagnostische Möglichkeiten, um Brustkrebspatientinnen, die von dieser Behandlung nicht profitieren, eine nutzlose und darüber hinaus schädliche Chemotherapie zu ersparen. Während die Fachwelt jubelt, die offiziellen Leitlinien die Anwendung der Tests empfehlen und sich Ärzte wie Patientinnen darüber freuen, dass mit Hilfe von Genexpressionstests jetzt eine bessere individuelle Therapie bei Brustkrebs möglich ist, stellt der Bewertungsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses die Signale auf „Stopp“.
"Klammheimlich“ haben nämlich die Vertreter von Ärzten und Krankenkassen, die in diesem Gremium darüber entscheiden, ob eine medizinische Innovation in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird, die Leistungslegenden zu einigen Positionen des Kapitels 11 „Humangenetik“ im Gebührenverzeichnis EBM „präzisiert“. Die Folge: Ab Oktober 2013 können Pathologen Genexpressionstests bei gesetzlich versicherten Patientinnen nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen abrechnen.
Schon seit Juli 2012 hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) versucht, die Tests aus der Erstattungsfähigkeit der GKV „herauszudefinieren“. Mit mäßigem Erfolg: Denn nur sechs der insgesamt 17 kassenärztlichen Vereinigungen folgten der Empfehlung der KBV. Nicht zuletzt deshalb, weil zahlreiche wissenschaftliche Gutachten – unter anderem auch eines der Nobelpreisträgerin Prof. Christine Nüsslein-Volhard – nachweisen konnten, wie wenig stichhaltig die inhaltlichen Begründungen der KBV sind.
Auch gesetzlich versicherte Brustkrebspatientinnen hatten somit die Möglichkeit, den Test auf Kassenkosten durchführen zu lassen. Allerdings war dies mit gewissen Mühen und Recherchen verbunden, da das Ganze ja nur in bestimmten KV-Bereichen funktionierte. Doch Rechercheeifer und räumliche Flexibilität helfen nun auch nicht mehr. Der Beschluss des Gemeinsamen Bewertungsausschusses vom 27. Juni 2013 bedeutet das endgültige Aus für die Erstattungsfähigkeit von Genexpressionstests – zumindest im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Privat Versicherte können diese Tests weiterhin in Anspruch nehmen lassen, ihre Krankenversicherung kommt für die Kosten auf.
Das ist Zweiklassenmedizin in Reinkultur möchte man den Verantwortlichen entgegenrufen. Und auch: Um Kosten zu sparen, sollen sich Frauen einer für sie medizinisch nutzlosen, dafür aber äußerst aggressiven Therapie mit dem Risiko von Langzeitschädigungen unterziehen. Das ist nicht nur zynisch, sondern bedeutet: Eine nicht nur fahrlässige, sondern grob fahrlässige Körperverletzung wird bewusst und billigend in Kauf genommen. Interessant zu erfahren, was wohl Verfassungsrechtler dazu meinen, wenn das Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit (Artikel 2, Absatz 2 Grundgesetz) so sträflich missachtet wird.
Welcher Un-Geist die Diskussion im Bewertungsausschuss beherrscht, musste unlängst auch Prof. Dr, Marion Kiechle aus München erfahren, die sich dort für die Aufnahme der Tests in den Leistungskatalog der GKV stark gemacht hatte. Ein Vertreter des GKV-Spitzenverbands hatte lapidar angemerkt, er verstehe gar nicht, warum solche Genexpressionstests überhaupt notwendig seien. Schließlich sei eine Chemotherapie doch heute gar nicht mehr so schlimm. Ob einer solch zynischen Argumentation fragt man sich schon: Wird hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Will heißen: Können wir Experten, die offensichtlich weder über genügend Einfühlungsvermögen, noch über fundierte Sachkenntnis verfügen, wirklich Entscheidungen überlassen, die für die davon Betroffenen „überlebenswichtig sind? Ganz sicher nicht! Es wird Zeit, dass wir als kompetente Patientinnen und Patienten endlich bei den Krankenkassen Druck machen, damit mit unser aller Geld für das ausgegeben wird, was uns die Krankenkassen für den Fall der Fälle versprochen haben: eine gute medizinische Versorgung nach allgemein anerkannten Standards. (akk)
Lesen Sie dazu auch den Offenen Brief von Mamma Mia Chefredakteurin Eva Schumacher-Wulf und den Brief der Allianz gegen Brustkrebs an den stellvertretenden Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbands, Johann Magnus Freiherr von Stackelberg