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Heilsame Kommunikation zwischen Arzt und Patient - Neuer Ratgeber zur Arzt-Patientenkommunikation
20. Oktober 2013
„Patienten wünschen sich Ärzte, die ihnen umfassende Informationen über ihre Krankheit geben, sich für ihr Verständnis und ihre Deutung der Krankheit interessieren, sich um ihre Ängste kümmern, sie an Entscheidungen beteiligen und dabei über einen warmen, zugewandten Kommunikationsstil verfügen“.
Dieses Zitat aus dem Buch von David Klemperer: Wie Ärzte und Patienten Entscheidungen treffen – Konzepte der Arzt-Patient-Kommunikation, ist auch zehn Jahren nach dessen Erstveröffentlichung nach wie vor aktuell. An einigen deutschen Universitäten gehört das Fach „Kommunikation und Gesprächsführung“ inzwischen zwar zum Fächerkanon des Medizinstudiums. Der Alltag in Klinik und Praxis wird aber noch immer vor von großen Defiziten im Dialog zwischen Arzt und Patient bestimmt. Mit der Folge, dass ärztliche Worte öfter verwunden als heilen.
Umso wichtiger ist der Ratgeber „Heilsame Kommunikation zwischen Arzt und Patient“, der kürzlich von der Techniker Krankenkasse herausgegeben wurde. Die Autorin, Annette Rexrodt von Fircks, die vor 13 Jahren selbst an Brustkrebs erkrankte, beschreibt aus eigener Erfahrung die Sprachlosigkeit, die gerade bei onkologischen Erkrankungen oft zwischen Arzt und Patient herrscht. Wie es im Vorwort der 32seitigen Broschüre heißt, ist es gerade diese „hörbare wechselseitige Sprachlosigkeit, die ein stilles Leiden mit sich zieht und dem Heilberuf des Arztes sowie dem Heilwerden des Patienten entgegensteht.“
Wer einen Kommunikationsratgeber im herkömmlichen Sinn erwartet, wird bei der Lektüre angenehm enttäuscht. Annette Rexrodt von Fircks beschreibt aus der persönlichen und damit subjektiven Perspektive einer Betroffenen die Wirkung der gesprochenen und unausgesprochenen Worte. Der Ratgeber geht in sechs Kapitel auf typische Kommunikationssituationen im Verlauf einer Krebserkrankung ein. Eindringlich beschreibt Annette Rexrodt von Fircks zu Beginn im Kapitel „Plötzlich scheint die Erde einfach stehen zu bleiben“ den Moment der Diagnose, ihre eigene Angst, aber auch die Betroffenheit von Ärzten und Schwestern und ihre eigene Sprachlosigkeit: Mit wem sollte ich reden?
Hoffnung, so die Überzeugung der Autorin, ist angesichts der Diagnose „Krebs“ das wichtigste Lebens- und Überlebenselixir. Viele Ärzte fürchten sich aber davor, ihren Paienten vielleicht falsche Hoffnung zu machen, besonders dann, wenn die medizinische Prognose schlecht und die Erwartung an die Heilkraft des Arztes groß ist. Viele Ärzte möchten nicht in die Rolle des übermächtigen Heilers gedrängt werden und fühlen sich von den Erwartungen der Patienten überfordert. Wissen sie doch, dass auch sie nicht über die Wunderwaffe gegen Krebs verfügen. So beschränkt sich die Kommunikation oft auf die medizinisch-sachliche Aufklärung: Die Ärzte geben über die Behandlungsmöglichkeiten, den Verlauf der Er-krankung und die vermeintliche Prognose Auskunft, damit der Patient sich auf die Situation einstellen und die ihm wichtigen Dinge regeln kann. Das menschliche Mitfühlen, die Empathie, die für den Patienten so wichtig ist, bleiben oft auf der Strecke.
Annette Rexrodt von Fircks plädiert deshalb für eine Kommunikation zwischen Arzt und Patient, die bei aller Ernsthaftigkeit immer auch Hoffnung für den Augenblick, für die Gegenwart vermittelt. Denn „den Moment, in dem wir nicht mehr hoffen mögen, sollten wir selbst – und nicht der behandelnde Arzt- bestimmen."
Dies kann nur funktionieren, wenn der Arzt weiß, in welcher Situation sich der Patient befindet. Ärzte sollten deshalb fragen und gut zuhören, um zu erfahren, welche Hoffnung ihre Patienten hegen und diese dann bekräftigen. Und natürlich sollte Arzt den Patienten auch dabei unterstützen, neue Hoffnung zu finden, ohne ihm falsche Hoffnungen zu machen.
Das Kapitel „Therapie“ beleuchtet intensiv die „Krebssprache“. Annette Rexrodt von Fircks berichtet von ihrer eigenen Erfahrung: Die Vorstellung einer Behandlung mit Zellgiften sei für sie keineswegs beruhigend oder vertrauenserweckend gewesen. Auch die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Krebs ist nach Einschätzung der Autorin nicht für jeden Patienten motivierend. Viele – wie auch Annette Rexrodt von Fircks selbst – wollen nicht kämpfen, sondern ihre Energie auf das Gesundwerden konzentrieren. Dabei ist die „Sprache des Kriegs“ ist nicht die, die die Selbstheilungskräfte mobilisiert und Energieressourcen aktiviert. So plädiert die Autorin dafür, sich die Therapie – auch die Chemotherapie zum Freund und Verbündeten zu machen und fordert Ärzte dazu auf, in der Beschreibung der Therapiewirkung auf die Wahl ihrer Worte zu achten. Das Wort „Gift“ weckt ihrer Wahrnehmung nach von vornherein negative Assoziationen (wer will sich schon vergiften lassen?). Stattdessen sei es besser, von hoch wirksamen Medikamenten zu sprechen.
Auch die gut gemeinten „Muss-Ratschläge“ (Du musst kämpfen, da musst du jetzt durch, du musst jetzt positiv denken) bewirken oft das Gegenteil: Sie geben keine Kraft, sondern fördern das Gefühl der Überforderung und Vereinsamung. Besser wäre es, wenn Ärzte und Angehörigen dem Patienten einfach nur versichern, dass sie für ihn da sind und bereit dazu sind, die Situation mit ihm durchzustehen.
Annette von Rexrodt fordert deshalb mehr „Menschlichkeit im Medizinbetrieb“ von den Medizin-und Pflegeprofis ein. Denn Aufmerksamkeit für den Patienten und mehr Achtsamkeit für dessen Bedürfnisse und Wünsche können gerade bei Schwerkranken Heilkräfte entwickeln. Patienten möchten als Menschen mit Privatsphäre wahr- und ernst genommen werden. Deshalb der Rat an Krankenhäuser und Praxen, persönliche Gespräche nicht im Beisein anderer Patienten –z.B. bei der Visite zu führen.
Achtsamkeit bedeutet auch, dem Patienten während des Gesprächs ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Weder Telefonate noch der Blick in den Computer sollten das Gespräch stören. Ärzte, so die Empfehlung des Ratgebers, sollten auch Gefühlen – den eigenen und denen der Patienten Raum lassen. Gute Gespräche müssen dabei nicht Stunden dauern, wenngleich der Zeitdruck im Alltag von Klinik und Praxis sicherlich wenig heilsam wirkt. Dennoch hat Annette Rexrodt von Fircks sicherlich mit ihrer Einschätzung Recht: „Eine aufmerksame Kommunikation zwischen Arzt und Patient mit Achtsamkeit, Empathie und einer heilsamen Sprache erfordert nicht mehr Zeit als ein schlechtes Gespräch oder gar keines. Denn es geht hier gar nicht um das „viel reden“, sondern um die psychische Präsenz.“ Diese hat für beide – den Arzt wie den Patienten unschätzbare Vorteile, denn beide gewinnen Zeit. Der Arzt bekommt alle Informationen, die er benötigt, um einem Patienten medizinisch wie menschlich gerecht zu werden, muss nicht so oft nachfragen. Der Patient muss seine Zeit nicht mit Grübeln, dem Nachdenken über nicht in Frage kommende Alternativen und Ängsten vergeuden. Damit kann er seine Energie auf das Gesundwerden konzentrieren oder auch die ihm verbleibende Lebenszeit intensiver leben.
„Das Vertrauen in den Arzt und folglich in die Behandlung ist überaus wichtig für den Heilungsprozess und mitentscheidend für die Lebensqualität“, resümiert Annette Rexrodt im Schlusskapitel des Ratgebers. „Und ich bin überzeugt, dass umgekehrt das Echo des Patienten das Leben des Arztes bereichern kann. Es ist doch eine unendliche Dankbarkeit, eine Form von Liebe, die zu ihm zurückfließt, wenn sich der Patient verstanden und gut behandelt fühlt. Dies kann meines Erachtens allerdings nur geschehen, wenn sich der Arzt selbst mit den exis-tenziellen Lebensfragen auseinandersetzt – dem Leben und dem Sterben in all seiner Komplexität. …Und ich denke, dass eine heilsame Kommunikation zwischen Arzt und Patient nur möglich ist, wenn der Arzt in gewisser Weise verwundbar bleibt und ein tiefes, inneres eigenes Mitfühlen zulässt – ist er doch ein genauso verletzliches und vergängliches Menschenwesen wie wir alle“. (akk)
Der Ratgeber steht als PDF unter Service zum Download bereit.