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Krebsforschung: Lassen sich Krebszellen von gesunden Zellen geometrisch unterscheiden?
27. November 2013
Wie lässt sich herausfinden, ob es sich bei einer Zelle um einer Krebszelle handelt oder nicht? Eine andere und neue Antwort auf diese zentrale diagnostische Fragestellung haben jetzt Wissenschaftler des Max-Plancks Instituts für Intelligente Systeme, Stuttgart, und der Abteilung für Biophysikalische Chemie der Universität Heidelberg gefunden.
Die Forscher unter Leitung von Prof. Dr. Joachim Spatz und Dr. Katharina Klein konnte zeigen, dass sich Krebszellen mit Hilfe der sogenannten fraktalen Geometrie von gesunden Zellen unterscheiden lassen.
Der Begriff „fraktal“, den der französische Mathematiker Benoit Mandelbrot prägte, leitet sich vom lateinischen „frangere“ (zerbrechen) und beschreibt bestimmte geometrische und topographische Eigenschaften von Gegenständen, die nach einem gewissen Muster aufgebaut sind. Häufig lassen sich diese Strukturen in der Vergrößerung erkennen. So sind z.B. Farnblätter und die Röschen des Romanesco-Blumenkohls so aufgebaut, dass sich bestimmte Größen-und Oberflächeneigenschaften ständig wiederholen. Die Wissenschaftler aus Stuttgart und Heidelberg entdeckten nun, dass auch Auswüchse und Ausstülpungen auf der Zelloberfläche wiederkehrende fraktale Muster zeigen. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, gesunde und kranke Zellen mit Hilfe der fraktalen Geometrie voneinander zu unterscheiden.
Die Forschungsgruppe untersuchte dabei Zellen der Bauchspeicheldrüse. Hierfür wurden die Ränder der Zellen unter dem Mikroskop vergrößert und die auftretenden Unregelmäßigkeiten mathematisch exakt erfasst. Dadurch konnten die Wissenschaftler die fraktale Dimension des Zellrandes bestimmen, die ein Maß für die statistische Verteilung von Unregelmäßigkeiten darstellt. Krebszellen, so das Ergebnis der Untersuchungen, unterscheiden sich von gesunden Zellen durch ein höheres Maß an Fraktalisierung. Denn durch das Tumorwachstum bilden sich an der Zelloberfläche in unregelmäßigen Ausstülpungen unterschiedlicher Größe. Mit Hilfe der Bestimmung der „Zelltopographie“ lässt sich aber nicht nur feststellen, ob es sich um eine Krebszelle handelt oder nicht. Die Forscher konnten auch mit 97prozentiger Sicherheit nachweisen, um welche von zwei unterschiedlichen Tumorarten es sich handelt.
Nach Einschätzung von Prof. Spatz lassen sich mit der neuen Methode Krebszellen sehr viel genauer und schneller als mit den bisher gängigen von gesunden Zellen unterscheiden. Bislang werden Tumorzellen dadurch identifiziert, dass mittels Biopsie eine Gewebeprobe aus dem Körper entnommen wird, die dann mit bestimmten Antikörpern oder Biomarkern eingefärbt wird. Die histologische Diagnostik hat nach Auffassung von Prof. Spatz jedoch einige Nachteile. So müssen in zahlreichen Einzelschritten spezielle Schnittpräparate angefertigt werden. Zudem lassen sich Krebszellen mit den gebräuchlichen Farbstoffen nicht immer sichtbar machen. Somit lässt sich Krebs mit dieser Methode nur in 85 Prozent der Fälle sicher diagnostizieren.
Mithilfe der neuen Methode der fraktalen Geometrie lassen sich Tumorzellen nicht nur zuverlässiger, sondern auch deutlich schneller bestimmen. Denn sie müssen nicht eigens präpariert werden, sondern lassen sich einfach unter einem speziellen Reflexionsraster-Mikroskop untersuchen. Dieses Gerät misst die Reflexion des Lichtstrahls auf der Zelloberfläche. So lassen sich selbst kleinste Strukturen am Zellrand untersuchen.
Die Studiengruppe um Prof. Spatz ist überzeugt, dass die Analyse der fraktalen Geometrie der Zelloberflächen ein sehr großes Potenzial für die klinische Diagnostik mit sich bringt. Das Forscherteam beschäftigt sich jetzt mit der Frage, wie sich ihre Methode in der klinischen Praxis anwenden lässt. „Der nächste Schritt für uns werden konkrete Kooperationen mit Kliniken sein, um die Methode direkt an relevanten Gewebeproben zu testen“, so Prof. Joachim Spatz. (akk)
Literatur: Katharina Klein et. al: Marker-Free Phenotyping of Tumor Cells by Fractal Analysis of Reflection Interference Contrast Mickroscopy Images, Nano Letters, doi: 10.1021/nl4030402; 2013