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Screening - Rettet jährliche Mammographie Leben?
17. Februar 2014
Lässt sich die Brustkrebssterblichkeit durch regelmäßige Mammographie-Untersuchungen senken? Diese Frage untersuchten kanadische Wissenschaftler im Rahmen der Canadian National Breast Screening Study, die im Jahr 1980 gestartet wurde. Die Ergebnisse der Langzeitstudie, die kürzlich im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2014; 348: g366) veröffentlicht wurden, sind ernüchternd: Von den Frauen, die jährlich zur Mammographie gingen, starben genauso viele an Brustkrebs wie in der Kontrollgruppe. Gleichzeitig stieg die Zahl der Überdiagnosen deutlich an.
An der kanadischen Studie – es die bisher einzige zum Brustkrebsscreening, die seit Einführung der adjuvanten Therapie unter streng wissenschaftlichen Bedingungen durchgeführt wurde – nahmen insgesamt 89.835 Frauen im Alter zwischen 40 und 59 Jahren teil. Bei der Hälfte der Teilnehmerinnen – die Gruppen wurden nach dem Zufallsprinzip (Randomisierung) eingeteilt – wurde in einem Zeitraum von fünf Jahren jeweils einmal pro Jahr eine Mammographie durchgeführt. Die anderen Frauen nahmen nicht an einer Screening-Untersuchung teil. Innerhalb von fünf Jahren traten in der Screening-Gruppe 666 Tumore auf – 484 davon entdeckte die Mammographie -, in der Kontrollgruppe wurde bei 524 Frauen ein Tumor in der Brust diagnostiziert. Von den Frauen, die an Brustkrebs erkrankten, starben insgesamt 351 infolge der Erkrankung.
Die kanadischen Forscher untersuchten in der Studie auch das Langzeitüberleben der Patientinnen. Aus dem Screening-Arm lebten nach 25 Jahren noch 70,6 Prozent der erkrankten Frauen, in der Kontrollgruppe waren es 62,8 Prozent. Dies deutet zunächst auf einen statistisch signifikanten Rückgang der Sterblichkeit durch das Screening hin.
Nach Einschätzung von Studienleiter Prof. Anthony Miller, eines führenden kanadischen Krebsexperten, ergibt sich dieser Effekt aus der Tatsache, dass das Mammographie-Screening Tumore zu einem sehr frühen Zeitpunkt aufspürt. Zudem findet die Mammographie vor allem langsam wachsende Tumore mit guter Prognose. Zum Zeitpunkt der Diagnose waren die entdeckten Tumoren im Durchschnitt 2,1 Zentimeter groß und bei , bei 32,4 Prozent der Frauen hatte der Krebs bereits in die Lymphknoten gestreut. Zwischen den Studienteilnehmerinnen im Screeningarm und in der Kontrollgruppe gab es dabei nur geringe Unterschiede. Bei den Frauen, die regelmäßig zur Mammographie gegangen waren, waren die Tumore mit 1,91 Zentimeter nur geringfügig kleiner. Auch der Anteil der Lymphknotenbefunde lag mit 30,2 Prozent nicht wesentlich niedriger. Alle Tumore in der Kontrollgruppe waren durch Tastbefund aufgefallen. Auch bei den Frauen im Screening-Arm konnten zwei von drei diagnostizierten Tumoren getastet werden, wobei die Studie die Tastuntersuchung nur für Frauen über 50 Jahren vorgesehen hatte.
Die Daten aus der 25jährigen Nachbeobachtungszeit stützen die Interpretation von Prof. Miller. Denn von den erkrankten 3250 Frauen des Screening-Arms verstarben 500 an Brustkrebs. In der Kontrollgruppe traten 3.133 Brustkrebserkrankungen und 505 Todesfälle auf. Somit hatte das Mammograpie-Screening keine langfristige Auswirkung auf die Brustkrebssterblichkeit. Allerdings unterzogen sich die Frauen während der Beobachtungszeitraums nur fünf Jahre lang jährlich einer Mammographie.
Ein nicht zu unterschätzendes Problem des Screenings ist auch die hohe Zahl der Überdiagnosen. Die kanadischen Forscher beobachteten, dass im Rahmen des Screenings deutlich mehr Tumore diagnostiziert wurden (666 statt 524). Nach Auskunft von Prof. Miller wird bei einer von 424 Frauen, die am Screening teilnehmen, eine Brustkrebserkrankung „überdiagnostiziert“ und in der Folge unnötig behandelt.
Auf Grund der Ergebnisse der Canadian National Breast Screening Study mehren sich Stimmen, die den Sinn von Populations-Screenings zur Brustkrebsfrüherkennung in Frage stellen. Da sich die Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnose in der Größe im Screening- und im Kontrollarm kaum unterschieden und Brustkrebs heute im Frühstadium gut behandelbar und heilbar ist, bezweifelt die norwegische Gesundheitsökonomin Dr. Mette Kalager den Effekt und die Effizienz des Screenings. Die Wissenschaftlerin von der Universität Oslo weist darauf hin, dass z.B. das Risiko für eine heute 50jährige Frau, innerhalb der nächsten 20 Jahre an Brustkrebs zu erkranken, mit Screening bei 6,1 Prozent liegt, ohne Screening bei 5 Prozent. Auch der Unterschied für das Risiko, in einem Zeitraum von 20 Jahren an Brustkrebs zu versterben, sei für eine heute 55jährige Frau sehr gering: Mit Screening liegt es bei 1,5 Prozent, ohne regelmäßige Mammographie bei 1,9 Prozent.
Inwieweit die Ergebnisse der kanadischen Studie die Praxis der Screening-Untersuchungen zur Früherkennung von Brustkrebs beeinflussen wird, ist noch nicht abzusehen. Die American Cancer Society gab an, die Empfehlungen zum Mammographie-Screening vor dem Hintergrund der neuen Daten überprüfen zu wollen. (akk)
Literatur: Anthony B. Miller et al.: Twenty five year follow-up for breast cancer incidence and mortality of the Canadian National Breast Screening Study: randomised screening trial BMJ 2014; 348 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.g366 (Published 11 February 2014) Cite this as: BMJ 2014;348:g366