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Brustkrebsforschung - Bindegewebszellen können Tumorwachstum ankurbeln
25. Oktober 2014
Bindegewebszellen – die sogenannten Fibroblasten - können bei Brustkrebszellen wie Wachstums-beschleuniger wirken. Was in der Krebsforschung schon seit längerer Zeit bekannt war, konnten Wissenschaftler des Instituts für analytische Chemie der Universität Wien zusammen mit Ärzten der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien jetzt erstmals mit Hilfe eines neuartigen Analyseverfahren nachweisen.
Der Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. Christoph Gerner und Dr. Georg Pfeiler gelang es dabei, in Brustkrebsgewebeproben genau die Moleküle nachzuweisen, die für das Wachstum von Tumorzellen verantwortlich sind. Bislang war es nicht möglich zu klären, ob krankhafte Veränderungen des Bindegewebes die Entstehung von Tumoren begünstigen oder ob vorhandene Krebszellen das Bindegewebe in seiner Funktionsweise und Beschaffenheit so verändern, dass sie besser überleben können.
Das Gewebe des menschlichen Körpers und der einzelnen Organe besteht aus unterschiedlichen Zelltypen, die ganz verschiedene Aufgaben übernehmen können. Brustgewebe besteht vor allem aus Epithelzellen (Drüsengewebe) und Bindegewebe. Bei Brustkrebs entarten die Epithelzellen zu Krebs-zellen, gleichzeitig können sich aber auch die Bindegewebszellen in gefährlicher Weise verändern. Dabei entfalten diese Zellen die gleichen Aktivitäten wie bei der Wundheilung und stellen Wachstumsfaktoren bereit, die schon in geringer Konzentration hochaktiv sind. Was beim Prozess der Wundheilung ein gewünschter und positiver Effekt ist, verändert sich bei Krebs ins Gegenteil: Hier werden die Wachstums-faktoren „missbraucht“ und tragen zu einer Ankurbelung der Krebszellen und beschleunigtem Tumorwachstum bei.
Wie die Wiener Forscher berichten, bestand die besondere laboranalytische Aufgabe darin, in den Gewebeproben der Brustkrebspatientinnen mit unterschiedlichsten Zelltypen genau die Proteine sicher zu bestimmen, die das Krebswachstum beeinflussen. Im ersten Schritt gelang es den Wissenschaftlern, mit Hilfe von massenspektrometischen Untersuchungen aus den Gewebeproben tausende von unterschied-lichen Proteinen zu identifizieren. Danach untersuchte man die Aktivität der Fibroblasten und konnte zeigen, dass diese Zellen eine deutliche Wundheilungssignatur aufwiesen und damit „krebsfördernd“ wirkten.
Nach Einschätzung von Dr. Pfeiler lässt sich mittels der neuen Untersuchungsmethode, die nur durch die hochmodernen Analysegeräte des Massenspektrometriezentrums der Universität Wien möglich wurde, für jede einzelne Patientin feststellen, „ wie stark die Wundheilungsaktivität ausgeprägt ist“. Für den öster-reichischen Mediziner ist das die entscheidende Voraussetzung für eine zielgerichtete Therapie. Noch zählt das neue Analyseverfahren nicht zum klinischen Standard, und bis es so weit ist, wird es noch einige Zeit dauern.
Nach Auskunft von Prof. Gerner wollen die Wiener Forscher im nächsten Schritt zunächst ein Verfahren entwickeln, um den Status der Wundheilungsaktivität auch aus Serumproben bestimmen zu können. Außerdem sollen am Medikamente getestet werden, die die unerwünschte Wundheilungsaktivität hemmen können. Hiervon versprechen sich die Wissenschaftler eine neue Möglichkeit der adjuvanten (unterstützenden) Therapie in Ergänzung zu den bislang üblichen Behandlungsverfahren. An der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien arbeiten momentan schon mehrere Doktoranden aus Medizin, Pharmakologie und klinischer Chemie im Rahmen eines fachbereichsübergrei-fenden Projekts an der weiteren Erforschung der Wirkzusammenhänge. (akk)
Literatur: Michael Groessl et al: Proteome Profiling of Breast Cancer Biopsies Reveals a Wound Healing Signature of Cancer-Associated Fibroblasts; Journal of Proteome Research, DOI: 10.1021/pr500727h, 2014